"Friedensdemonstration" mit Reichsbürger*innen - Coronaleugner*innen - Rechtsradikalen - Antisemit*innen?


Am 1. April 2023 mobilisierten die Protestunternehmer*innen um Michael S. unter dem Motto "Frühlingserwachen" zum ersten Mal nach Göttingen. Der Tag lief für sie anders als geplant.

Das Fiasko begann bereits in der Vorwoche, als der allabendlich angekündigte Autokorso nur aus dem mit Lautsprechern ausgestatteten Kleinwagen von Michael S. und einem weiteren PKW bestand. Laut und stinkend ließ er es sich nicht nehmen, durch viele Göttinger Nachbarschaften zu fahren und diese mit Lautsprecheransagen und Auspuffgasen zu belästigen.
Am 1. April selbst folgten der bundesweiten Aktion immerhin 650 Menschen nach Göttingen. Auf der Auftaktkundgebung am Bahnhof sprachen bundesweit bekannte Querdenker wie Markus Fuchs und Artur Helios. Der Tenor der Reden war alles andere als friedfertig. Unsere Gesellschaftsordnung und die demokratischen Parteien wurden massiv beschimpft, beleidigt und lächerlich gemacht.

Im Anschluss sollte ein Demonstrationszug über über 9 km Strecke zurücklegen. Diese geplante Strecke konnte der Demozug nicht einmal zu einem Drittel zurücklegen, da friedliche Straßenblockaden antifaschistischer Gruppen den Weg versperrten. Sichtlich frustriert traten die Protestierenden den Heimweg an - "Scheiß Göttingen" war von einem der Teilnehmer auf dem Rückweg zum Bahnhof zu hören.

Trotz dieses zivilgesellschaftlichen Erfolgs hinterließ die Veranstaltung bei vielen Göttinger*innen einen üblen Nachgeschmack. Denn die Presse dokumentierte nicht nur die Anwesenheit prominenter Coronaleugner*innen und Verschwörungsideolog*innen, sondern auch von Reichsbürger*innen und anderen Rechtsradikalen wie den freien Sachsen, die feichsend durch unsere Stadt zogen. Dokumentiert wurden zudem mehrere Hitlergrüße sowie antisemitische Plakate und Kostüme. Damit bestätigte sich die Befürchtung, dass die vermeintliche "Friedensdemonstration" als Einfallstor für extrem rechte und andere antidemokratische Ideologien fungieren sollte.

Das Bündnis beobachtete zudem provokante rechtsradikale Parolen gegen friedliche Gegen-Demonstrant*innen. Immer wieder schlichen sich Personen in unseren Gegenprotest. Bekannte Rechtsradikale Streamer*innen filmten unseren Gegenprotest und machten Nahaufnahmen der Organisator*innen, um diese einzuschüchtern.

Veranstalter basteln sich ein Erfolgsnarrativ

Trotz der für die "Frühlingserwachten" mauen Bilanz der eigenen Veranstaltung, feiern diese die Aktion im Netz und nutzen hierzu bewusst Ausschnitte des eigenen Filmmaterials, die die Demonstration als erfolgreich framen. Der vorzeitige Abbruch der Veranstaltung wird mit keinem Wort thematisiert. Zusätzlich feiern Videos die dokumentierte Polizeigewalt an den Gegendemonstrant*innen, in denen der in Teilen unverhältnismäßige Polizeieinsatz als eine "Reinigung der Straße" bezeichnet wird.

Gekränkter Stolz

Wir sehen die erneute Anmeldung einer Veranstaltung in Göttingen als eine beleidigte Reaktion auf den Misserfolg der Querdenker*innen im April. In den Aufrufen für das Herbsterwachen finden sich diverse Anspielungen auf Göttingen als "links-grüne Hochburg", die "sensibilisiert" und "aufgeweckt" werden müsse. Hier werden die Aktivist*innen ganz im rechten Jargon als "Antifa-Terroristen" bezeichnet. Slogans wie "Wir sind wieder da. Göttingen 2.0" und "Wir freuen uns auf euch" neben dem Symbol einer Antifa-Fahne kommunizieren nicht an mögliche Teilnehmer*innen, sondern direkt an den Gegenprotest. Dies kann als subtile Drohung verstanden werden.

Aber wir lassen uns nicht einschüchtern! Zeigen wir am 16.9., dass Göttingen längst "aufgewacht" ist und sich dem infantilen Gehabe der rechten Protestunternehmer*innen entgegenstellt.


Wehret den Anfängen!
Keinen Fuß breit dem Faschismus!